top of page

Die zwei Seelen des Schulwerts: So bewerten M&A-Berater Privatschulen


ree

Die Bewertung einer K-12 Privatschule (Vorschule bis Abschluss) ist keine einfache Buchhaltungsaufgabe. Sie ist komplexer als die Schätzung eines normalen Unternehmens, da eine Schule gleichzeitig Bildungsanbieter, Immobilienmanager, Finanzverwalter und Hüter ihres kostbaren Rufs ist - eine vielschichtige Kombination, die eine besondere Vorgehensweise erfordert.


Spezialisierte M&A-Berater nutzen deshalb eine Kombination von Faustregeln (Heuristiken), um den Wert einer Schule aus verschiedenen Blickwinkeln zu triangulieren. 


Dabei liegt der Fokus auf zwei kritischen Merkmalen: 

 

  1. Quantitative Leistungszahlen (harte Fakten): Die messbaren, zahlenbasierten Kennzahlen aus Finanzleistung, Marktleistung und operativer Effizienz.

  2. Qualitative Kriterien (Treiber für Stabilität und Preis): Weiche Faktoren wie Akkreditierung, akademische Exzellenz und Führungsqualität, die massgeblich die langfristige Zukunftsfähigkeit und die Preissetzungsmacht der Schule beeinflussen. 


Die Besonderheit einer Schule als „Unternehmen“

Eine Schule ist kein gewöhnliches Unternehmen. Sie vereint mehrere Geschäftsfelder in sich, was die Bewertung erschwert: 


  • Bildungsdienstleistungen: Der Kernauftrag und die Einnahmequelle.

  • Immobilien- und Infrastrukturmanagement: Das Schulgebäude, die Ausstattung und das Gelände (sofern die Schule selbst Eigentümerin ist).

  • Finanzielle Rücklagen: Angesparte Mittel für zukünftige Investitionen, Notfälle oder Stipendien. 

  • Reputationskapital (Markenwert, Akkreditierung): Der Ruf der Schule, ihre Bekanntheit und offizielle Anerkennung (Akkreditierung) als entscheidende weiche Faktoren. 


Die folgenden Faustregeln sind erste Anhaltspunkte für die Schätzung, bevor eine aufwendige detaillierte Prüfung (Due Diligence) durchgeführt wird:  


  • Umsatz-Multiplikatoren: Ein Vielfaches der jährlichen Schulgebühren.

  • Bewertung pro Schülerplatz: Ein festgelegter Schätzwert für jeden potenziellen Platz.

  • Höhe der finanziellen Rücklagen.

  • Markenprämie: Ein Bonus auf den Wert, wenn die Schule eine bekannte und vertrauenswürdige Marke ist. 


Diese Methoden erlauben einen schnellen Vergleich ähnlicher Schulen, beschleunigen Verhandlungen und gleichen die Erwartungen von Käufern und Verkäufern frühzeitig ab, bevor die zeitaufwendige, offizielle Bewertung beginnt. 



Ein Blick in die Bücher


Quantitative Faktoren umfassen alle messbaren, zahlenbasierten Kennzahlen. Sie bilden das finanzielle Fundament und die Leistungsdaten, auf denen der Wert kalkuliert wird. 


Die Kennzahlen lassen sich in drei Kategorien gliedern:


  • Finanzielle Leistung (Umsatz, Gewinn, Cashflow).

  • Marktleistung (Auslastung, Anmeldezahlen, Entwicklung der Gebühren).

  • Operative Effizienz (Kosten pro Schüler, Verwaltungskostenanteil).



Geld ist die Seele des Geschäft


Zur Bestimmung der Rentabilität und finanziellen Gesundheit der Schule dienen folgende Leistungskennzahlen:


Umsatz (jährliche Einnahmen)

Der Umsatz sind die Gesamteinnahmen der Schule, die hauptsächlich aus Schulgebühren und weiteren Einnahmen (z.B. Busfahrten, Kantine, Spenden) stammen. 


Faustregel (Multiplikator): Oft wird der Wert der Schule als ein Vielfaches des jährlichen Umsatz aus Gebühren berechnet. 


Typische K-12 Schulen: Bei stabilen Schulen wird oft ein 0.5-facher bis 1,0-facher Multiplikator auf den Jahresumsatz angesetzt. 


SDE (Seller’s Discretionary Earnings)

Der SDE (Eigentümer-Betriebsgewinn) ist der bereinigte Betriebsgewinn und die wichtigste Kennzahl für die Bewertung kleinerer bis mittlerer, eigentümergeführten Schulen. 


Zweck: Er zeigt den tatsächlichen Cashflow an, den ein neuer Eigentümer erwarten kann. 


Bereinigung („Add-backs“): Hierbei werden nicht-geschäftsbezogene oder einmalige Ausgaben (Rechtskosten, Bewirtungsaufwendungen oder private Ermessens-Ausgaben sowie auch das Gehalt des aktuellen Eigentümers) zum Gewinn hinzugerechnet, um ein realistischeres Bild der operativen Leistung zu erhalten. 


EBITDA

Das EBITDA (Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation = Operativer Gewinn) ist die gängigste Kennzahl für die Bewertungen grösserer, managementgeführter Privatschulen (z.B. über CHF 10 Mio. Umsatz).


Multiplikator: Grössere Schulen werden oft mit dem 4- bis 6-fachen des EBITDA gehandelt, was das operative Risiko und das Wachstumspotenzial widerspiegelt. 


Schulen mit einem hohen Wachstumspotenzial: Stark wachsende oder einzigartige Schulen können Multiplikatoren des 7-fachen Betriebsergebnisses oder höher erreichen.


Schulen mit einem geringen Wachstumspotenzial: Schulen mit sinkenden Schülerzahlen oder Akkreditierungsproblemen liegen häufig bei 3x EBITDA und darunter. 


Schulen mit robusten Einschreibepipelines und bewährten digitalen Plattformen: Sie können oft bis zum 2-fachen der Gebühreneinnahmen rechtfertigen. 


Betriebsmarge

Die Betriebsmarge (Operating Margin - EBITDA/Umsatz) zeigt, wie Effizienz die Schule ihre Einnahmen in operativen Gewinn umwandelt. Eine höhere Marge deutet auf eine besser operative Effizienz und damit auf einen höheren Wert hin. 


Anlagenwert

Der Anlagenwert (Asset Value) ist der aktuelle Zeitwert der materiellen Vermögenswerte (Grundstücke, Gebäude, Ausstattung). Er dient als Basis für die Substanzwertmethode, die den Wert der Schule anhand ihrer physischen Güter bemisst.



Der beste Beweis für die Güte ist der Zulauf


Die folgenden Kennzahlen messen, wie attraktiv die Schule für potenzielle Schüler ist und wie stabil ihre Einnahmen basis ist. 

Schülerzahl und Wert pro Schüler

Die aktuelle Schülerzahl (Enrollment) ist der wichtigste Indikator für die Auslastung der Schule. Sie bildet die Grundlage für die Bewertung pro Schülerplatz (Per Student Valuation).


Bewertung: Jeder Vollzeit-Schülerplatz wird mit einem festen Betrag, häufig zwischen CHF 15’000 und CHF 25’000+ bewertet. 


Einflussfaktoren: Dieser Wert hängt von den Auswahlkriterien, der Abschlussquote und den durchschnittlichen Netto-Gebühren (nach Abzug von Stipendien) ab. 


Branchenspezifisch: Programme mit MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und Medizin erzielen höhere Werte (aufgrund kapitalintensiver Labors und besserer Gehälter der Absolventen). Programme der Geisteswissenschaften liegen tendenziell niedriger (ca. CHF 10’000 bis CHF 15’000). 



Auslastungsgrad

Der Auslastungsgrad (Capacity Utilization) vergleicht die aktuelle Schülerzahl mit der maximal möglichen Kapazität der Schule. Er zeigt, wie viel unerschlossenes Wachstumspotenzial noch besteht.


Schüler-Bindungsrate

Die Bindungsrate (Retention Rate) ist der Prozentsatz der Schüler, die von einem Jahr zum nächsten an der Schule bleiben. Eine hohe Quote (über 85 %) ist wichtig, da sie zukünftige Einnahmen sichert und die Marketingkosten senkt.


Aufwendungen pro neuer Schüler

Der Kosten pro neuer Schüler (Student Acquisition Cost - SAC) misst die Effizienz der Marketingausgaben, indem er die Gesamtkosten für Marketing durch die Anzahl der neu gewonnenen Schüler teilt. Ein niedriger SAC im Verhältnis zu den Schulgebühren ist ein starkes Zeichen für die Markenstärke der Schule.


Durchschnittlicher Umsatz pro Schüler

Der durchschnittliche Umsatz pro Schüler (Average Revenue per Student - ARPS) ist der Gesamtumsatz, geteilt durch die Schülerzahl. Er misst die Preissetzungsmacht und die Qualität der Einnahmen der Schule.



Kleine Ursache, grosse Wirkung


Die folgenden Kennzahlen zeigen, wie effizient die Schule ihre Ressourcen einsetzt und ihren Betrieb managt.


Personalkostenanteil

Dies ist der Anteil der Gesamtkosten für Gehälter und Arbeitgeber-Anteil an den Sozialleistungen am Gesamtumsatz. Da das Personal meist der grösste Kostenblock ist, misst diese Kennzahl, wie viel von den Einnahmen zur Deckung der Personalkosten verwendet wird.


Lehrer-Schüler-Verhältnis

Das Verhältnis der Anzahl Schüler zur Anzahl Vollzeit-Lehrkräfte.


Bedeutung: Es ist ein wichtiger Indikator für die Bildungsqualität.

Auswirkung: Ein niedriges Verhältnis (wenige Schüler pro Lehrer) ist zwar teurer, signalisiert aber eine höhere Betreuungsintensität und rechtfertigt oft höhere Schulgebühren.


Anteil des Non-Teaching Personals

Diese Kennzahl stellt die Kosten für das Verwaltungspersonal ins Verhältnis zu den Gesamtkosten oder Einnahmen. Sie ist ein direkter Massstab für die administrative Effizienz: Ein hoher Anteil kann auf eine zu aufgeblähte oder ineffiziente Verwaltung hinweisen.



Ein guter Ruf ist mehr wert als viel Gold


Qualitative Faktoren

Die qualitativen Faktoren sind nicht-finanzielle Aspekte, die den Ruf, die Nachhaltigkeit und die Bildungsqualität der Schule bestimmen. Sie sind entscheidend für die langfristige Stabilität und die Fähigkeit, höhere Gebühren zu verlangen.


Reputation und Marktposition


Akkreditierung: Offizielle Anerkennung durch wichtige nationale oder internationale Stellen (z.B. IB, CIS, A-Levels, EDK, SFBI, AEFE). Diese ist fundamental für die Glaubwürdigkeit.

Öffentliche Wahrnehmung (Markenwert): Der Ruf der Schule, die Zufriedenheit der Eltern und die Medienpräsenz. Ein starker Markenwert sichert die Nachfrage und erlaubt stabile Gebühren, auch bei wirtschaftlichen Schwankungen.


Akademische Qualität und Leistung


Lehrplan: Die Verwendung anerkannter, internationaler Rahmenwerke belegt die hohe Qualität des Angebots.

Erfolg der Absolventen: Die Annahmequoten an führenden Universitäten und Fachhochschulen sind der beste Beweis für den Wert der Ausbildung.

Testergebnisse: Die konstante und positive Entwicklung der Schülerleistungen in standardisierten Tests belegt den Erfolg des Bildungsansatzes.


Personalqualität und -bindung


Qualifikation: Der Anteil der Lehrkräfte mit hohen akademischen Abschlüssen und relevanter Erfahrung.

Fluktuationsrate: Eine niedrige Fluktuationsrate der Lehrkräfte signalisiert ein stabiles, gesundes Arbeitsumfeld und senkt die Rekrutierungskosten.

Bedeutung: Qualifiziertes und gebundenes Personal ist der wichtigste immaterielle Vermögenswert und direkte Treiber für den Lernerfolg der Schüler.


Einrichtung und Infrastruktur


Zustand: Alter und Instandhaltungsniveau der Gebäude und des Geländes.

Ausstattung: Die Verfügbarkeit moderner Fachräume (Labore, Sporthallen, Kunststudios), die modernen Standards entsprechen.

IT: Die Qualität der IT-Infrastruktur und die Integration digitaler Bildungstechnologie.



Der Mensch machts


Personal und Humankapital

Die Qualität und Stabilität der Lehrkräfte leisten einen wesentlichen Beitrag zum Wert einer Bildungseinrichtung.


Faustregel zur Personalbewertung

Eine einfache Faustregel schätzt den Wert des Kernpersonals in Vollzeit (z.B. Gymnasiallehrer:in) 


Sek I: ca. CHF 80’000 bis CHF 135’000+

Sek II: ca. CHF 100’000 bis CHF 150’000+;


Die Bandbreiten berücksichtigen die Expertise, die Forschungsleistung und die Betreuungsleistung der Lehrkräfte. Die Höhe ist abhängig von der Seniorität der Lehrperson und der Art der Schule. In den unteren Stufen ist die Festlegung der Gehälter etwas flexibler.  


Diese Faustregel unterstreicht, wie schwierig und kostspielig es ist, hochkarätiges akademisches Personal zu gewinnen und langfristig zu binden, insbesondere in spezialisierten Fachgebieten mit intensivem Wettbewerb.



Was steht, hat seinen Preis, doch der Markt bestimmt den Tauschwert


Bewertung der Sachanlagen

Die Immobilien und Campuseinrichtungen bilden das materielle Fundament des Schulwerts bei einer Transaktion. Fachberater nutzen für deren schnellen Bewertung vorrangig zwei vereinfachte Ansätze:


Wiederbeschaffungswert als Basis

Als erste Faustregel setzen Berater den Wert von Grundstücken und Gebäuden im M&A-Kontext oft auf 60 bis 80 Prozent der heutigen Neubaukosten an. Dieser Ansatz soll den realistischen Substanzwert abbilden. 


An diesem Ausgangswert werden weitere Korrekturen vorgenommen. Abzüge entstehen durch das Alter der Gebäude, einen vorhandenen Wartungsstau (maintenance backlog) oder die Notwendigkeit, hochspezialisierte Laboreinrichtungen ersetzen oder modernisieren zu müssen. 


Der Marktmultiplikator

Alternativ wenden Makler häufig einen starken Abschlag an, indem sie nur einen Multiplikator von 0.3x- bis 0.6x auf den Bruttowert der Immobilie anwenden. Dieser deutliche Abschlag ist notwendig, um die geringe Verkäuflichkeit und die engen Zonierungs- und Nutzungsbeschränkungen von Bildungscampussen zu widerzuspiegeln. Schulgebäude sind i.R. Spezialimmobilien und lassen sich nur schwer in etwas anderes umwandeln. 


Wichtige Abgrenzung zur Versicherungswertermittlung

Diese kommerziellen M&A-Methoden sind nicht mit der Bewertung durch kantonale  Gebäudeversicherungen zu verwechseln. Die Gebäudeversicherungen haben eine andere Zielsetzung: Sie bewerten Gebäude so, dass bei einem Totalschaden die Kosten für den vollständigen Neubau eines gleichartigen Objekts am gleichen Ort gedeckt ist. Im Gegensatz zur kommerziellen, M&A-bezogenen Bewertung wird hier kein Abzug für Alter oder Abnutzung vorgenommen. Der Grund: Die Versicherung soll nicht den Marktwert, sondern die Funktion und Substanz des Gebäudes wiederherstellen. 


Die 60%-80% Regel dient im Transaktionsprozess lediglich als ein erster Korrekturfaktor, um den Neuwert auf einen realistischeren Substanzwert zu reduzieren. 



Fazit: Der ganzheitliche Ansatz

Die finale Bewertung ist das Ergebnis einer gewichteten Kombination aller Faktoren. M&A-Berater verlassen sich nicht auf eine einzige Metrik, sondern fusionieren die Ergebnisse der Umsatz-, Gewinn- und Schüler-Multiplikatoren zu einem Referenzwert. 


Dieser Wert muss jedoch stets durch das spezifische Risikoprofil und die zukünftigen Wachstumsaussichten der Schule (qualitative Faktoren) angepasst werden. Nur dieser ganzheitliche, gewichtete Zielwert bietet eine verlässliche Grundlage für Verhandlungen und ermöglicht eine faire und fundierte Einigung zwischen Käufer und Verkäufer.

 
 
 

Kommentare


bottom of page